Psyche mit Zukunft, Hrsg. Jol Rosenberg

Foto vom Buch "Psyche mit Zukunft"

In dieser Anthologie geht es um Science Fiction mit Protagonisten mit psychischen Krankheiten oder Neurodivergenzen. Dabei ist häufig Thema, wie zukünftige Gesellschaften mit diesen psychischen Eigenschaften umgehen. 

Es sind viele interessante und gut geschriebene Texte dabei und ich fand die Anthologie rundum gelungen.

Diese Geschichten fand ich besonders erwähnenswert:

„Der Hobby-Friedhof“ von Lee Doubleu ist rasant geschrieben und thematisiert das Leben mit ADHS. Menschen ohne ADHS haben ADHS-Medikamente missbraucht, um leistungsfähiger zu sein. Zugleich gelten nun Menschen mit ADHS als besonders leistungsfähig. Interessant fand ich das, weil hier die Wechselwirkung zwischen dem Leistungsdruck der kapitalistischen Gesellschaft und psychischen Konditionen thematisiert wird.

In „HHH“ von Jol Rosenberg soll eine KI eine depressive Person glücklich machen. Es gibt eine bezeichnende Szene, wo die KI-Firma feststellt, dass für viele Bedürfnisse der depressiven Person kein Geld da ist und es leichter ist, reiche Leute glücklich zu machen als arme. Verwunderlich fand ich jedoch, dass die KI in der Lage ist, den Job der Hauptfigur zu erledigen, aber dass die daraus resultierende Gefahr, ihren Job durch KI zu verlieren, gar nicht thematisiert wird. 

„Ein Schritt ins Leere“ von Aiki Mira hat einen poetischen Stil und thematisiert Verlust, Einsamkeit, und das Akzeptieren der eigenen Neurodivergenz, vor dem sterilen Hintergrund einer heruntergekommen Mondstation.

„Hesitation Marks“ von Thorsten Küper geht um militärische Killerdrohnen, die von ihren menschlichen Trainingsdaten eine Art Gewissen bekommen haben. Ich feiere das utopische Ende.

„Götter des Verschobenen Teppichs“ von Alexandra Reß: Die Hauptfigur erklärt ihrer Haus-KI, dass es sich bei ihrer Zwangsstörung um eine Religion handle, was zu herrlich skurrilen Missverständnissen führt. Die Geschichte zeigt, dass Texte über psychische Erkrankungen nicht nur ernst sein müssen. 

In „Toter Winkel“ von Lena Richter geht es um Care-Arbeit, Arbeitsbedingungen in der Pflege und Selbstausbeutung. Ich fand gut, wie nach und nach klar wird, dass der Hauptfigur ihr eigener Wunsch zu helfen längst entglitten ist. 

„Grenzwandlerin“ von Nicole Hobusch geht um eine Person mit Wahnvorstellungen und hat einen coolen Twist am Ende.

Insgesamt ist diese Anthologie eins meiner Anthologie-Lesehighlights des Jahres.

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